Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -Pressemitteilung Nr. 92/2004 vom 19. Oktober 2004.  Also in English.

Dazu Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 -

Zur Berücksichtigung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch innerstaatliche Organe, insbesondere deutsche Gerichte.

Das betrifft den Fall Görgülü.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 30. Juni 2004 - 14 WF 64/04 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an einen anderen Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg zurückverwiesen-

Deutsche Gerichte sind zwar unabhängig, müssen aber die Europäische Menschenrechtskonvention als im Range eines Bundesgesetzes stehend beachten und sich mit der Substanz der Entscheidungen aus Straßburg weit ernsthafter auseinandersetzen, als dies im vorliegenden Falle das OLG Naumburg getan hat. (Vgl. dazu auch unseren früheren Bericht.) 
Unter den ersten Pressekommentaren: SPIEGEL Online von heute, FAZ vom 20.10.

Auch wenn, besonders in Presseberichten, betont wird, dass ,,Straßburger Urteile nicht bindend für die deutsche Justiz" sind (z. B. Süddeutsche Zeitung, 20.10., siehe aber Kommentar, S. 4 "Juristisches Röhren. Das Bundesverfassungsgericht liegt im Machtkampf mit dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg", von Heribert Prantl.) ), so stellt der Beschluss unserer Meinung nach dennoch eine sehr deutliche Abfuhr für Bestrebungen dar, wie sie etwa im Aufsatz des ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Benda ihren Ausdruck fanden, der laut Presseberichten (,,Kindeswohl als örtliche Angelegenheit") von der Bundesregierung gegen frühere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes ins Feld geführt wurde.

Neues Deutschland 20.10.2004, Meinung: Richter- statt Rechtsstaat von Claus Dümde
In Karlsruhe wurde gestern ein bemerkenswerter Beschluss verkündet. Denn er betrifft einen Justizskandal, an dem das Bundesverfassungsgericht selbst beteiligt ist. Durch Unterlassen. Es weigerte sich nämlich 2001, die Beschwerde eines Vaters, der bisher vergeblich um das Sorgerecht für seinen Sohn und gegen dessen drohende Zwangsadoption kämpft, überhaupt anzunehmen. Obwohl sie berechtigt ist, wie schließlich der Europäische Menschengerichtshof befand. Dennoch landete der Fall wieder in Karlsruhe. Weil drei Oberlandesrichter in Naumburg, Sachsen-Anhalt, auf das Urteil aus Straßburg pfeifen, das ihnen schwere Menschenrechtsverletzung vorwarf und forderte, dem Vater zumindest Umgang mit seinem Sohn zu ermöglichen. Selbst das verweigern die Naumburger Richter weiterhin, unter Berufung auf das »Kindeswohl«.

Europarat:Stellvertretende Generalsekretärin: ''Medienberichte über Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichts sind irreführend''

Straßburg, 21.10.2004 - Die Stellvertretende Generalsekretärin Maud de Boer-Buquicchio hat heute Besorgnis über einige irreführende Medienberichte geäußert, die in der Rechtsgemeinde und in der Öffentlichkeit Fragen bezüglich des bindenden Charakters von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im deutschen Rechtssystem aufgeworfen hatten.... Mehr

Die stellvertretende Generalsekretärin hat in Völkerrecht promoviert und war lange Zeit mit dem Schwerpunkt Menschenrechte tätig, insbesondere mit den Rechten von Kindern befasst. Lebenslauf (französisch).

 Deputy Secretary General: “Media reports on the German Constitutional Court’s decision are misleading”

Strasbourg, 21.10.2004 – Council of Europe Deputy Secretary General Maud de Boer-Buquicchio, today expressed her concern about a number of misleading reports in the media, which have given rise to some questions within the legal community and among the public at large regarding the binding nature of judgments of the European Court of Human Rights within the German legal system. .....Mehr

23.10.2004: Saar-Echo, 22.10.2004, Deutscher Justiz wird der Marsch geblasen. Europarat widerspricht BVG-Beschluss zu Menschenrechtsgerichtshof / Vize-Generalsekretärin: Straßburger Urteile sind zu befolgen.
Straßburg. Der Europarat hat der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) widersprochen, wonach deutsche Gerichte nicht zwingend an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebunden sind. Laut Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention seien alle Unterzeichnerstaaten verpflichtet, die Straßburger Urteile zu befolgen, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin des Staatenbundes, Maud de Boer-Buquicchio, am Freitag in Straßburg. Damit sei die Verbindlichkeit der Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs unzweideutig klargestellt. .....Mehr

Und das soll nicht nur anderswo, z. B. für die Türkei, gelten, wo Deutschland die Menschenrechte anmahnt.