Information von Väter für Kinder e.V.:


L'Express (Frankreich): Aufsatz zu Anschuldigungen von sexuellem Kindesmißbrauch bei Trennung/Scheidung, PAS und neuen Statistiken zu elterlicher Sorge, Umgang und Unterhalt.

Unter dem Titel "L'arme du soupçon d'inceste" (Die Waffe der Verdächtigung des Inzests) brachte die französische Wochenzeitschrift L'Express am 15. 4. 1999 einen groß aufgemachten Aufsatz (7 Seiten) von Gilbert Charles der in mehrfacher Hinsicht interessant ist.

Es beschreibt nicht nur die auch in Deutschland schon länger grassierende Seuche des Einsatzes von Anschuldigungen sexuellen Kindesmissbrauchs (fast immer gegen Väter) als ultimativer "Waffe" in hochstrittigen Sorge/Umgangsrechtsverfahren ("Familienkrieg"), als gutgläubiger Verdacht (bei Kleinkindern z.B. auch auf Grund weit verbreiteter, unwissenschaftlicher Symptomlisten) oder zu Unrecht (darüber gehen die Meinungen sehr auseinander) und ihre verheerenden Folgen, wie Verlust des Arbeitsplatzes, der Ehre und der Liebe der Kinder (so der Untertitel).

Es werden verschiedene Fallgeschichten gebracht. Eingeleitet werden sie durch auch in Frankreich noch ungewöhnlichen Fall der Verurteilung einer Mutter zu einer Geldstrafe von 5000 Francs +1 Franc (symbolisch), nach einer 4 jährigen Tortur für Vater und Kinder, die seiner Meinung nach durch nichts wieder gut zu machen ist. Sie hatte ihren früheren Mann wiederholt beschuldigt die 2 jährige Tochter sexuell berührt zu haben. Motiv laut Urteil: Verleumderische Denunzierung, allein zum Zweck den Vater von den Kindern weiter fernzuhalten nachdem dieser wegen der Nichteinhaltung der Umgangsregelung geklagt hatte. Sie wiederholte die Anschuldigungen auch nachdem die Polizei die Ermittlungen (Befragungen, med. Untersuchungen) einstellte und legte Berufung gegen gerichtliche Entscheidungen ein die den Vater freisprachen. Der Vater brauchte noch ein Jahr bis er sich zu einer Schadensersatzklage wegen der Falschanschuldigungen entschloss.

Die Rolle einer Anwältin bei der ungewöhnlichen Häufung solcher Anschuldigungen im selben Ort, einem kleinen Pariser Vorort, wird beschrieben, ebenso wie das Ausstellen von Gefälligkeitsgutachten durch Ärzte und psychologische "Experten", oft nach einem regelrechten Tourismus durch die Beschuldiger(in). Die ärztlichen Standesregeln verbieten das Ausstellen von Attesten zu sexuellem Missbrauch. Wenn er als wahr erscheint, muss der Fall der Justiz übergeben werden, die einen neutralen Experten benennt. Trotzdem sind Gefälligkeitsgutachten eine der häufigsten Gründe für Disziplinarverfahren mit schon einem guten Hundert von Verurteilungen in Frankreich.

Die Schwierigkeiten der Wahrheitsfindung bei Missbrauchsanschuldigungen, bei denen natürlich die Sicherheit des Kindes vor einer möglicherweise tatsächlichen Gefahr Priorität haben muß, werden beschrieben, ebenso wie die Gefahr der suggestiven Beeinflussung kindlicher Aussagen und die Belastung des Kindes durch wiederholte Aussagen (Videoaufzeichnungen sind jetzt in Frankreich zugelassen, aber noch nicht überall möglich oder durchgeführt)

Der weltbekannte kanadische Experte Hubert Van Gijseghem* hat sich intensiv mit den Gründen für die Entstehung von sexuellen Missbrauchsanschuldigungen, den Schwierigkeiten ihrer Verifizierung/Entkräftung, der Häufigkeit und den Folgen beschäftigt, auch außerhalb eines Sorgerechtsstreits (z.B. gegenüber Lehrern, etc.). Seiner Meinung nach kann eine bewusste Falschanschuldigung ähnlich gravierende Folgen für das Kind haben wie tatsächlicher Missbrauch. Er betont aber auch, dass gutgläubige Anschuldigungen durch eine falsche Deutung von Verhaltenstörungen unter dem Einfluss des Trennungs/Scheidungsstresses entstehen können. In diesem Zusammenhang wird das ,,syndrome d'aliénation parentale"  (PAS) im L'Express Aufsatz als charakteristisch für Scheidungskinder erwähnt die durch den Verlust des zweiten Elternteiles traumatisiert sind. Hubert Van Gijseghem war einer der drei psychologischen Experten im Urteil des Cour d'Appel Québec (Opinion du Juge Baudouin, 1994 *), vgl. (DAVorm. 1/98) und Leitsätze, bei dem PAS und eine sexuelle Missbrauchanschuldigung die tragende Rolle spielten.

Der Aufsatz schließt mit einer sehr interessanten neueren Statistik zu elterlicher Sorge und Umgang in Frankreich des Institut national d'études démographiques (Ined).
Danach leben 1,8 Millionen Kinder nur mit einem Elternteil, der Mutter in 85 % der Fälle. Von den Kindern die bei der Mutter leben sehen 44% ihren Vater mindestens einmal in 15 Tagen. In 1986 waren es nur 15%, Tendenz also stark steigend. 25% sehen aber immer noch ihren Vater niemals (vgl. dazu die VfK Petition zu Kontaktabbrüchen in Deutschland).

Nichtbezahlung des Unterhalts ist das häufigsten den Ex-Ehegatten vorgeworfene Delikt, mit Verurteilung in 90 % der Fälle, davon 24% zu Gefängnis. Aber nur 11 % der Umgangsverweigerungen, der häufigsten Übertretung der Ex-Ehefrauen, resultieren in Strafmaßnahmen, davon 0,47% in Gefängnisstrafen (nach Art. 357 des Code Penal).. 8 von 10 Verfahren wurden eingestellt. Vgl. dazu unseren Bericht über die Familienrechtsreform in Frankreich die am 8. Januar 1993 Gesetz (Teil des code civil) wurde, mit Anpassungen an die UN Kinderrechtekonvention und den Zivilpakt.

Aber wie sieht das im Vergleich zu Deutschland aus, wo richterliche Appelle an die Vernunft nach Jahren beharrlicher Umgangsvereitelung sehr häufig immer noch als einzige und probateste "Umgangsdurchsetzungsmaßnahme" erscheinen, wenn Umgang nicht gar wegen des Konflikts zwischen den Eltern ausgesetzt wird? Vgl. dazu auch unsere früheren Beiträge zur Umgangsdurchsetzung in anderen Staaten, zuletzt zusammengefasst in "Was tun Gerichte gegen Umgangsvereitelung?" (VfK Info 6/99), und einige "Leuchtturmurteile" aus Deutschland in Bindungstoleranz und PAS.

Nachtrag: Die INED Umfrage über Scheidung wurde unter dem Titel "Etude récente sur le bilan démographique du divorce en France" von SOS PAPA magazine N° 31, Septembre 1998 ausführlich analysiert. Eine Zusammenfassung (ohne die Tabellen und Graphiken) ist aus den Webseiten der Organisation abrufbar. *

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